Als sich am Abend des 17. Mai der Himmel über Berlin verdunkelte, versammelte sich ein verwegener Haufen vor dem Brandenburger Tor. 22 Uhr – ein ungewöhnlicher Startzeitpunkt für eine Radtour. Aber der Minerva Nightride ist keine gewöhnliche Tour. Er ist ein Übergangsritus. Eine Einladung zur Langsamkeit. Eine Erkundung der Dunkelheit – im Lichtkegel des eigenen Fahrrads.

Die Strecke führte gezielt abseits der großen Straßen: über Radwege, durch Wälder, entlang ruhiger Seen und vereinzelt über befestigte Schotterpisten – ein bewusster Allroad-Mix, der mit modernen Gravelbikes genauso gut funktionierte wie mit klassischen Randonneuren. Zwischen den schimmernden Lichtkegeln: plötzlich Biber auf dem Weg, Nebel über den Feldern, und immer wieder das eigene Atemgeräusch im kühlen Maiwind.

Ein Auftakt zwischen Touristen und Tanz

Noch bevor das erste Pedal getreten wurde, sorgte eine spontane LED-Hula-Tanzgruppe – eigentlich auf Touristenfang vorm Tor unterwegs – für einen fast surrealen Abschied vom Tag. Zwischen blinkenden Reifen, klirrenden Freiläufen und dem letzten Check der Stirnlampen entstand so etwas wie Vorfreude auf das Ungewisse. Und dann: Los.

Die Nacht gehört uns

Temperatursturz inklusive: Gegen 3 Uhr nachts zeigte das Thermometer nur noch vier Grad. Viele griffen zu dicken Handschuhen, Daunenjacke oder Merino-Unterwäsche – Winterkleidung im Wonnemonat. Wer vorbereitet war, fror nicht. Wer nicht – merkte es schnell.

Besonders in den Senken und entlang der Feuchtwiesen der Seenplatte kroch die Kälte aus dem Boden hoch, fein und schleichend. Manche hielten kurz an, um zusätzliche Kleidungsschichten aus der Rahmentasche zu ziehen, andere traten einfach schneller in die Pedale, um sich warm zu halten. Das Atmen erzeugte kleine Wolken im Licht der Stirnlampe, die Hände wurden schwerfälliger, die Gespräche verstummten für eine Weile.

Und doch war es genau dieser Moment, der den Geist des Minerva Nightride verdichtete: sich durch die Nacht zu bewegen, sich selbst zu spüren – auch durch Kälte. Diejenigen, die sich nicht entmutigen ließen, wurden am Ende belohnt: mit heißen Getränken am Ziel, einem Sonnenaufgang, der die Kälte vergessen ließ, und dem Wissen, dass sie vorbereitet waren – nicht nur mit Ausrüstung, sondern auch mit Haltung.

Zwischenstopps mit Herz und Wärme

Der erste Halt am Stadthafen Liebenwalde kam nach etwa 40 Kilometern. Kurzes Aufwärmen, ein paar Worte, ein Schluck aus der Thermoskanne. Dann weiter, tiefer in die Nacht hinein.

Checkpoint Zwei – das „Haus des Gastes“ in Himmelpfort – wurde zur wahren Oase: Toiletten, Sitzgelegenheiten, heiße Getränke. Und vor allem: Jared von caámate, selbst in Himmelpfort beheimatet, stand bereit mit frisch aufgebrühtem Mate und einer eisgekühlten Limonade aus Matetee-Sirup. Die perfekte Kombination aus Wärme und Koffein – sanft anregend, ohne nervös zu machen.

Licht, das trägt – und Menschen, die gestalten

Was wäre eine Nachtfahrt ohne Licht? Tim hatte die neue Ladelux von SON am Rad – ein Nabendynamo-Scheinwerfer mit Abblend- und Fernlicht sowie Ladefunktion. Für viele ein echtes Highlight: Während andere Akkus schonten, versorgte die Ladelux nicht nur den Weg, sondern gleich auch das GPS-Gerät und das Smartphone mit Strom – eine Lampe wie gemacht für lange Nächte.

Und es war ein Abend der Prototypen: Philipp von FAHRER Berlin zeigte erstmals öffentlich eine neue reflektierende Weste. Dezent im Design, aber auffällig im Licht – ein Beitrag zur Sichtbarkeit, der funktionierte. Georg von Fürst Wiacek, selbst Teil des Felds, transportierte zwei neue alkoholfreie IPAs in seinem Gepäck – befestigt mit den bekannten FAHRER Straps. Im Ziel wurde verkostet. Feedback: „überraschend komplex.“

Sonnenaufgang über der Seenplatte

Als der erste Schimmer Licht hinter den Baumwipfeln auftauchte, war das Ziel längst erreicht – aber noch nicht abgeschlossen. Die Morgendämmerung legte sich langsam über die Mecklenburgische Kleinseenplatte, wie ein Vorhang, der sich hebt. Nebelschwaden zogen über die Wasserflächen, spiegelten das zarte Rosa und Orange des Himmels, während über den Wiesen noch Stille lag.

Ein Sonnenaufgang wie dieser ist kein Abschluss – er ist ein Versprechen. Auf mehr Nächte, mehr Strecke, mehr Stille. Und auf ein Wiedersehen.

Müde Beine, wache Gesichter

Kurz vor sechs Uhr morgens rollten die ersten Teilnehmenden auf den Burghof in Wesenberg. Der Nebel war noch nicht ganz verzogen, als die ersten Sonnenstrahlen die alte Burgmauer in warmes Licht tauchten. Und dort wartete schon Holle, unser Chefkoch, mit dampfendem Kaffee, frischem Brot und dem Versprechen, dass Frühstück besser schmeckt, wenn man es sich verdient hat. Man hörte das Klirren von Thermobechern, das leise Lachen der Ankommenden, das Knistern von Brot im Brotkorb. Jared war ebenfalls vor Ort – mit dem letzten Mate der Nacht.

Ein Testlauf für den Kopf – und für die Saison

Der Minerva Nightride war mehr als eine Nachtfahrt. Er war ein Test: für das eigene Material, für den Umgang mit der Dunkelheit – und nicht zuletzt für den Kopf. Wer Langstrecken wie die Mecklenburger Seenrunde oder die Grevet 300/400 plant, konnte hier wertvolle Erfahrung sammeln. Reifen mit 32 mm Breite haben sich bewährt, Stirnlampen mit 18650er Akku sowieso. Wichtigstes Learning: In der Dunkelheit ist Sichtbarkeit Sicherheit.

Dankbarkeit in Dämmerung

Ein großer Dank geht an Detlef von der MSR für die Checkpointbetreuung, an Holle für das liebevolle Frühstück und an Jared für Mate, Motivation und Mithilfe. Danke auch an Philipp, Georg und SON – es war nicht nur ein Ride, sondern auch ein kleiner Zukunftslabor-Testlauf für gute Ideen. Und natürlich: an alle, die mitgefahren sind – mit Geduld, Neugier und der Bereitschaft, die Nacht als Freundin zu sehen.

Ride deep – und bis zum nächsten Lichtkegel.

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