Martin (Gravel.Mod), 26. April 2023

Mit dem ersten Grevet ging es für mich auch ein stückweit zurück zu meinen Wurzeln (im Bergsteigen). Fahrrad bin ich jeher gerne gefahren, am liebsten im Wald und über Wiesen oder wie es nun heißt — Gravel (Schotter). Meine längste Tour liegt aber schon fast 10 Jahre zurück und war damals nur 70 km lang. Am letzten Tag des Wertungszeitraums bin ich nun den ersten bayerischen Grevet der Saison 2023 gefahren. Von München-Pasing ging es bei Nieselregen auf die 147 km lange Strecke (850 hm).

Grevet #1 Bayern: Amper-Ursprung

Checkpoint 1 — Schwarzhölzl (Km 24)

Glücklicherweise lagen am Sonntagmorgen die Leute noch im Bett und drehten sich angesichts des Nieselregens lieber nochmal um. So konnte ich in der Großstadt die Ruhe, das Vogelgezwitscher und die Apfelblüte (bei uns im Allgäu dauert es noch) entlang der Würm genießen. Nach gut einer Stunde erscheint wie aus dem Nichts das Schwarzhölzl, eine Erhebung mitten im Wald. Der Kontrast wirkt etwas surreal, war es doch gerade noch eben. Auch die Landschaft wechselte von Moor plötzlich zu Trockenwiesen. Am Checkpoint 1 angekommen, wurde das Rätsel gelöst. Für die Olympischen Spiele 1972 wurde die Regattastrecke erbaut und der Aushub wurde ins Moor gekippt. Nun viele Jahre später ist hier das Moor nicht mehr das Biotop, sondern eine Trockenwiese, mit wunderbarem Ausblick.

Checkpoint 2 — Emmeringer Kletterbrücke (Km 67)

Nicht nur Erinnerungen an das Bergsteigen kamen heute auf, dazu später mehr, sondern auch an meine verschiedenen Wohnorte in München. “Natürliche” Kletterorte findet man in München kaum. Daher war ich früher auch viel in der Buildering-Szene (Klettern an Bauwerken) unterwegs — so auch hier am CP2 der Emmeringer Kletterbrücke. Damals kam ich immer von der Straßenseite. Nun führte die Route uns über die Felder hierhin, bzw. plötzlich als ob jemand ein Findling vom Himmel schmeißt, so steht dieses Monument da. In den 30er Jahren gebaut, nie genutzt, erfüllt die Brücke neben wechselnden Grafiti nun ein sinnvollen Zweck. Ein (Kletter-)Besuch lohnt sich allemal. Aber Vorsicht die Mücken fühlen sich hier pudelwohl und in den Löchern der Sandsteine steht gerne länger das Wasser bzw. Matsch.

Checkpoint 3 — Ammersee (Km 98)

Im Gegensatz zu den kleinen idyllischen Pfaden entlang der Amper ab Dachau, ging es auf dem Weg zu CP 3 so richtig zur Sache. Es wurde technischer, vor allem aber matschiger. Dem Regen in der Nacht und den Tagen davor sei gedankt. Die Schlammschlacht (keine Untertreibung) zog sich bis Grafrath. Eine Belastungsprobe für Antrieb, Material und Reifen. Die Wahl des WTB Senduro in 47 mm war goldrichtig. Mit einem WTB Riddler oder einen normalen Schwalbe G-One, welche gerne verbaut werden, wäre ich hier nicht durchgekommen. Dann wäre ich entweder mit dem Schuh im Matsch kleben geblieben und wäre gleich quer auf dem Weg gestrandet. Mit meinen 65 kg und 30 mm Maulweite der Felgen bin ich einen Druck von 1,9 bar vorne und 2,0 hinten gefahren (Empfehlung gem. Sram Reifendruck-Rechner— vllt. hätte etwas weniger Druck noch gut getan an der Stelle. Um das Ampermoos herum ging es auf leichtem Schotter & Straße zum Ammersee. Eigentlich eine entspannte Strecke zum erholen, allerdings hatte ich ab Km 80 mit Knieschmerzen zu kämpfen, sodass ich meine geplante Durchschnittsgeschwindigkeit nicht halten und nur noch wenig Druck auf das Pedal bringen konnte. Eigentlich wollte ich in Inning am Ammersee auch das geniale Eis der Eismacherrei genießen. Aber mittlerweile war es sonnig-warm und der Parkplatz brechend voll. Dafür schmeckten die Pommes im Biergarten gegenüber auch sehr fein.

Checkpoint 4 — Germering (Km 126)

Nach einem kleinem Sonnenbad am Ammersee wurde es hinter dem Wörthsee wieder spannend. Nick, der Scout der Strecke, machte es nochmal spannend. Über Stock, Matsch, Moor, Wasser & Stein bewies er erneut sein Einfallsreichtum. Ab Km 110 ging es dann, zum ersten Mal, über längere Strecken einfach auf “Waldautobahnen” gerade aus. Für mein Knie genau richtig und auch zeitlich wurde es mit dem Zug nach Haus nun langsam eng. Schön war es mit Germering dann nochmal einen alten Wohnort zu besuchen. Sogar den Checkpoint kannte ich durch das Geocaching damals schon, fiel mir dann vor Ort ein. Passend empfand ich auch den Spruch auf dem Sühnezeichen am CP: “Wir alle müssen zusammenfinden und zur Besinnung kommen”. Damals wie heute sehr treffend und gleichzeitig auf offen in der Interpretation. Eine schöne Inspiration.

Checkpoint 5 — Aubing (Km 141) & Schluss-Sprint

Eine bunte Mischung aus allen Elementen der Strecke erwartete mich dann nochmal auf dem Weg zu CP5 & dem Ziel. All-out ging es zurück nach Pasing und 5 Minuten vor Abfahrt kam ich am Bahnsteig an. Etwas schade das ich die schöne Abendstimmung nicht mehr genießen konnte. Andererseits hat es mich sehr gefreut, dass meine Ernährungsplan für die Tour so gut auf ging, dass ich die letzte Stunde mit voller Power fahren konnte — ohne das ich danach in ein Loch fiel.

Neben dem Pommes Stop am Ammersee, hab ich bei Deutenhofen (Km 45) noch einen Tankstellen-Stop mit Kaffee & Twix eingelegt. Ansonsten haben mir meine 4 Liter “Malty Malto” (40 g Maltodextrin D12, 1 g Salz auf 500 ml Wasser je Stunde) und 4 der geplanten 7 Riegel (ca. á 25–30 g KH) gereicht. Geplant habe ich somit mit ca. 70 g Kohlenhydrate je Stunde.

Was ein Grevet für mich mit Bergsteigen zu tun hat

Dass eine Strecke von 150 km auf Anhieb für mich fahrbar ist, hielt ich zwar für möglich, zu Mal ich seit Januar täglich 30 km mit dem Rad pendle und dazu auch etwas trainiere (via Enduco / Zwift), aber dennoch nicht für einen Selbstläufer. Ein Punkt war die Verpflegung. Auf der Strecke gab es eh kaum Möglichkeiten und Sonntags nochmal weniger. Über den Blog von Torsten Frank bin ich auf das Thema Flüssignahrung aufmerksam geworden und habe dann hauptsächlich diese Strategie gewählt. Das hat schon mal super geklappt. Weiterhin war fraglich ob ich an den Kontaktstellen (Hände, Füße, Gesäß) Probleme bekommen würde, zu mal mir beim pendeln öfters Finger taub werden. Aber auch hier gab es keine Probleme. Nur die Schulter verspannte sich zusehends. Hier muss ich am Vorbau nochmal etwas verändern. Aktuell fahr ich einen 75 mm langen und -28° geneigten Vorbau.

Die Knieprobleme waren schon eine andere Hausnummer und schränken mich wirklich ein. Mein Ziel die Strecke unter 7 Stunden zu fahren verfehlte ich um 23 Minuten bzw. 1,5 km/h im Durchschnitt. Sattelhöhe und horizontale Position sind hier vermutlich die entscheidenden Kriterien. Zwei Tage später fiel mir auf, dass die Sattelstütze nun deutlich tiefer ist. Nachgemessen fehlte 5 cm, welche sich wohl während der Fahrt zusehends absenkten und mir nicht auffielen.

Was das, und die Fahrt, nun alles für mich mit Bergsteigen zu tun hat, sind die Parallelen. Zwischen 2008 und 2012 war ich fast jedes Wochenende auf Bergtouren mit mind. 1000 hm und zwischen 6 bis 15 Stunden unterwegs (Alpinklettern, Skitouren, Hochtouren, etc.). Mit Job und zwei kleinen Kindern war mir so etwas die letzten Jahre nicht mehr regelmäßig möglich. Durch Zufälle stieß ich im Sommer 2022 aktiv auf den Rad- bzw. Gravelsport und arbeite jetzt sogar in dem Sektor.

Während des Grevets genoss ich die Zeit in der Natur, das Beobachten, hören und erleben der Elemente (Wind, Regen & Co.). Auch genoss ich die Zeit in Ruhe bzw. das Alleinsein. Musik brauche ich dabei nicht. Ich weiß nicht wie, aber ich kenne es schon von langen Hochtouren, meine Gedanken sind ausnahmsweise mal ruhig, kreisen eher um die Bewegung und die Umgebung. Mal schauen wie ich mit mir auf längeren Strecken oder Mehrtagestouren in den nächsten Jahren dabei zurecht komme. Neben der 4-teiligen Grevet Serie möchte ich noch 3 weitere ähnliche Streckenlängen 2023 fahren (vermutlich Orbit360). Für 2024 avisiere ich das Maurice Brock 400 und den Supergrevet Wien-Berlin an. Die Jahre drauf längeres wie Badlands (Spanien), Transcontinentalrace (Europa) oder das Atlas Mountain Race (Marokko). Was eben Job, Kinder & Kegel so hergeben.

Resümee

Nick hat ein tolle, sehr abwechslungsreiche, auch technische, vor allem aber einfallsreiche Strecke gescoutet — vielen Dank dafür. Ich freu mich auf die nächste Strecke rund um den Ammersee und die folgenden. Wer noch Interesse hat, steig gerne mit auf.

Für mich persönlich hat sich der Beweis ergeben, dass ich solche Distanzen (und auch mehr) fahren kann. Ich hab definitiv Bock drauf. Gravel on.

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